Österreich, nein, eigentlich halb Europa befindet sich in einer schwierigen Arbeitsmarkt-Lage. Auf der einen Seite stehen eine sehr geringe Arbeitslosenquote und eine große Zahl an Beschäftigten, auf der anderen ein Rekord an offenen Stellen (rund 140.000 sind beim AMS gemeldet, die Dunkelziffer dürfte bei bis zu 200.000 liegen). Mit anderen Worten: Die heimische Wirtschaft benötigt 2023 mehr Erwerbstätige, als zur Verfügung stehen. Employer Branding wird in dieser Situation zur unternehmerischen Existenzfrage.
Ein Grund für die Misere am Arbeitsmarkt ist überraschenderweise die gute ökonomische Lage. Nach dem Corona-Einbruch betrug das Wachstum bereits 2021 wieder 4,6 Prozent. Das Bruttoinlandsprodukt lag sogar schon über dem Wert des Vorkrisenjahres 2019. Der Arbeitskräfte-Bedarf ist quasi mitgewachsen. Gleichzeitig verabschiedet sich die Babyboomer-Generation in den Ruhestand und hinterlässt eine Lücke, die auch erwerbstätige Frauen und Menschen aus dem Ausland nicht mehr füllen können. Der Personalmangel ist somit nicht länger auf bestimmte Branchen beschränkt, sondern ein allumfassendes Problem.
Wir haben uns den Bedarf der Arbeitgeber und die Wünsche der Arbeitnehmer genau angesehen und daraus sechs Employer-Branding-Trends für das Jahr 2023 abgeleitet.
Natürlich wünscht sich jeder Betrieb den perfekten Bewerber – jung, aus der Region, fachlich fundiert ausgebildet, auch sonst exakt dem Jobprofil entsprechend, flexibel und teamfähig, bescheiden in Bezug auf die Gehaltsvorstellungen und zur 40-Stunden-plus-Arbeit bereit. Doch wer bei Stellenbesetzungen auf diesen Menschentyp wartet, wartet meist lange.
Zunächst gilt es daher, den geografischen Suchradius zu vergrößern. Noch wichtiger aber: Man sucht nicht länger nach fix-fertigen Mitarbeitern. Vielmehr sollten Personen angesprochen werden, die sich für eine Tätigkeit interessieren und einen entsprechenden Lernwillen mitbringen, die sogenannten Quereinsteiger also. Denn „Learning on the Job“ ist die beste Schulung … und Ihr Betrieb die besten Ausbildungsstätten.
Schon jetzt arbeiten fast 30 Prozent der Beschäftigten in Österreich (und rund die Hälfte der arbeitenden Frauen) in Teilzeit. Der Trend dürfte sich in den nächsten Jahren noch verstärken, denn laut Arbeitsklima-Index der AK Oberösterreich wollen auch 54 Prozent der aktuell noch Vollbeschäftigten ihre Arbeitszeit reduzieren.
Für Arbeitgeber ist das zunächst eine Belastung, weil man bei gleichbleibendem Gesamtpensum noch mehr Personal rekrutierten muss, um die anfallende Arbeit zu erledigen. Ein Unternehmen, das sich flexibel organisiert und den Wunsch nach Teilzeitarbeit erfüllt, wird jedoch belohnt. Nicht nur mit mehr Bewerbern, Teilzeitkräfte sind laut Studien auch produktiver und zufriedener. Sie bleiben somit länger im Unternehmen und reduzieren den Recruiting-Druck.
Generell gilt: Mitarbeiter zu binden ist einfacher als Mitarbeiter zu finden! Jede „loyalitätsfördernde“ Maßnahme ist daher gut und wichtig. Klassische Beispiele, speziell in größeren Unternehmen, sind Weiterbildungsangebote, eine betriebliche Altersvorsorge oder auch Kinderbetreuung.
Ist das Angebotspaket mal geschnürt, geht es an die Königsdisziplin des Employer Brandings, die Kommunikation. Hier gelten die gleichen Grundprinzipien wie im Marketing, nur dass statt Kunden aktive und potenzielle Arbeitnehmer angesprochen werden sollen. Dementsprechend werden auch die gleichen Kommunikationskanäle genutzt und die gleichen Methoden angewendet.
Besonders gut geeignet ist eine an das Inbound Marketing angelehnte Strategie, die sich an einem idealtypischen Mitarbeiter orientiert. Zunächst gilt es diese „Employer Persona“ zu definieren. Anschließend muss man definieren, mit welchen Inhalten und über welche Kanäle sie erreicht werden können, und den Arbeitgeber-Content darauf abstimmen. Last but not least sollten die Kommunikationsmaßnahmen messbar und somit auch prüf- und korrigierbar sein.
Besonders gut gelingt die Messung auf Social Media. Von Facebook über LinkedIn bis Instagram: Jeder Anbieter bietet Auswertungstools, um Reichweite von Beiträgen, Entwicklung der Follower-Gemeinde und Engagement nachvollziehen zu können. Wer einen Beitrag kommentiert oder teilt, wird als potenzieller Kunde betrachtet. Oft wird dabei übersehen, dass es sich auch um einen potenziellen Mitarbeiter handelt.
Wie professionelle Recruiting-Websites können auch soziale Medien genutzt werden, um mit Menschen in Kontakt zu treten und in Kontakt zu bleiben. Wenn sich jemand offensichtlich für ein Unternehmens interessiert, kann man ruhig mal genauer hinterfragen, warum das so ist …
Alle beschriebenen Entwicklungen, insbesondere der schrumpfende Personal-Pool am wachsenden Arbeitsmarkt, führen zu einem deutlich sichtbaren Wettbewerb um Mitarbeiter. Immer öfter werden auf Plakatwänden, in Zeitungsinseraten und selbst in der TV-Werbung nicht mehr Produkte und Dienstleistungen in die Auslage gestellt, sondern die Vorzüge des Unternehmens als Arbeitgeber.
Wie kann man trotzdem noch auffallen? Am besten mit Authentizität. Nichts ist authentischer als die eignen Beschäftigten, holen Sie Mitarbeiter und auch Lehrlinge daher vor den Vorhang. Sie sollen berichten, was sie an Ihrer Branche fasziniert, warum sie sich für Ihr Unternehmen entschieden haben und wie ihr Arbeitsalltag aussieht. Vorbildlich passiert das beispielsweise beim Installateur-Netzwerk HSH und dem Bau-Informationsdienstleister DOCUmedia.
Beide genannten Unternehmen haben eines gemeinsam: Sie vertrauen auf einen professionellen Partner, der die Entwicklung ihrer Arbeitgebermarkt begleitet. Ein logischer Schritt, denn das Tagesgeschäft lastet viele Firmen aus. Für Zusatzaufgaben bleibt kaum Zeit – und Employer Branding ist auch nichts, was sich nebenbei erledigen lassen würde. Vertrauen Sie deshalb auf Profis. Es lohnt sich!
Ob Employer Branding die Personalprobleme Ihres Unternehmens ad hoc löst? Leider nein, denn wie viele strategische Maßnahmen ist auch die Neupositionierung der Arbeitgebermarke mittel- bis langfristig ausgelegt. Trotzdem ist es höchste Zeit, damit zu beginnen. Laut aktuellen Prognosen wird das Arbeitskräftepotenzial in Österreich (und nicht nur hier) nämlich bis in die 2030er-Jahre zurückgehen.
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